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Meine Frau die Jedi Ritterin

Deutsche reden ungern aber diskutieren viel.

Mach die Glotze an Freitag Abends: Jeder diskutiert überall. In lässigen Sesseln, an runden Tischen, auf roten Sofas.

Und niemand diskutiert lieber als Beamte.

Wenn man einem Beamten in der freien Wildbahn begegnet – sprich, auf dem Amt – ist eine ablehnende Haltung nicht gleich eine Ablehnung. Es ist eine Einladung zu einer Diskussion.

Foto Dank Amira_a via Creative Commons
Foto Dank Amira_a via Creative Commons

Ein Beamter sagt vielleicht: “Das können wir leider nicht heute für Sie erledigen.” Und man würde meinen, dass es auch so ist. Aber meine Frau hat mir etwas Beamtisch beigebracht und in der Übersetzung heißt es, “Würden Sie bitte Ihre Anfrage begründen. Am besten mit etwas Schriftlichen von irgendeinem Amt und den einen oder anderen Paragrafen dazu.“

Und noch wahnsinniger: Leute reagieren darauf, reichen was ein und haben Erfolg.

Crazy!

Meine Frau ist ein Profi in Sachen diskutieren. Aber kein Wunder: sie ist ja deutsch. Aber selbst Deutsche sollten sie engagieren, um offiziellen Angelegenheiten zu klären. Sie geht nicht zum Amt um irgendwas zu klären. Sie geht dahin, um ein Kunststück zu schaffen. Beim Amt wandelte sich meine Frau in einen Jedi Ritter. Sie besiegt Beamte nach Beamte. Die dunkle Macht ist nichts gegen sie. „Das sind die Dokumente die Ihr sucht.”

Kurz nach der Geburt unseres zweiten Kindes sind wir umgezogen und mussten die neue Adresse anmelden. Das war in der Zeit, wo die ganze Welt das Internet nutzte, nur die Regierung nicht. Es gab weder Termine noch Anrufmöglichkeiten und einen postalischen Weg sowieso nicht. Die einzige Möglichkeit war ein Besuch im Bürgeramt Rathaus Mitte in Berlin. Angekommen wurden wir sofort von einem Schwarm unglücklicher Bürger begrüßt. Es war klar, dass sie alle schon viel zu lange gewartet hatten.

„Wo melden wir unsere neue Adresse an?“ fragte meine Frau mit schlafenden Baby im Baby Björn auf der Brust. „Ist hier die richtige Stelle?“

Die Frau hinter der Theke schien sich zu freuen. Ich dachte, sie freut sich weil sie uns wegschicken darf. Aber jetzt weiß ich, dass sie sich auf die Diskussion freute.

Foto dank die Grafs via Creative Commons
Foto dank die Grafs via Creative Commons

„Normalerweise kriegen Sie von mir eine Nummer und dann würden Sie oben warten bis Sie aufgerufen werden. Aber heute hat das keinen Sinn mehr. Da warten schon zu viele.“ Wie ich das jetzt schreibe, ist es viel netter als es damals rüber kam. Es klang ungefähr so, als ob wir den Easyjet Piloten gefragt hätten, ob wir das Flugzeug selber fliegen dürften.

„Ah“, sagte meine Frau mit der Ruhe eines Beamten. “Aber mein Mann hat doch heute Nachmittag extra frei genommen und das Baby schläft gerade. Vielleicht können wir einfach die Nummer nehmen und trotzdem warten? Nur Falls.“

„Das nutzt nichts. Sie kommen eh heute nicht mehr dran. Ich gebe Ihnen keine Nummer“, sagte die Beamtin. Vielleicht hat sie sogar gezischt. Mag sein, dass wir alle eine primitive Reptil Sprache können, irgendwo tief in einer primitiven Ecke unseres Gehirns.

Mag sein, dass Beamte eine ganz andere Spezies sind.

Ich bin fast ausgetickt. Ich bereitete mich auf einen legendären Vortrag über Steuerzahler und Öffentliche Mitarbeiter vor. Ich hätte vielleicht einen Oscar gewonnen. Oder meine ganze Familie generationsweise blamiert. Aber meine Frau hat einfach ihre Hand gehoben um mir zu sagen, `Wird alles gut`.

„Klar. aber mein Mann hat sich doch heute Nachmittag extra frei genommen und das Baby schläft gerade. Vielleicht können wir einfach eine Nummer nehmen und trotzdem warten. Wenn es nicht klappt, dann klappt es eben nicht.” Ach, meine Frau, dachte ich. Wie optimistisch! Und doof. Ich wurde immer wütender. Es war doch klar, dass diese Beamtin uns nicht helfen würde.

„Haben sie alle Unterlagen dabei?“ fragte die Beamtin. „Zeigen Sie mal her.”

Ah, dachte ich. Cooler Schachzug! Sie will uns jetzt zeigen, dass wir doch nicht alles dabei haben. Dann kann sie uns mit einem Schmunzeln wegschicken.

Nice Try, Frau Beamtin, dachte ich. Wir sind erfahrene Amtsgänger! Wir haben alles dabei. Schachmatt!

Ich war sehr stolz auf uns.

Die Beamtin nahm unsere Dokumente, drehte sich kurz weg und tippte was im Computer. Sie holte einen Ausdruck, machte einen Stempel drauf und drehte sich wieder zu uns. Dann gab sie uns den Stapel zurück.

„Da“, sagte sie. „Das habe ich für Sie erledigt.“

Wir müssen hier einen kleinen Zwischenstopp einbauen, weil so genial war dieser Moment. Es war einer der besten Momente meines Lebens. Vielleicht sogar besser als die Geburt meiner Kinder oder das erste Mal, als ich Star Wars gesehen habe. An dem Tag haben wir das Leben besiegt. Wir waren ganz Berlin überlegen.

„Wie hast du das geschafft?“ sagte ich voller Euphorie, als wir aus dem Bürgeramt liefen, mit der Anmeldung in der Tasche.

„Was geschafft?“ fragte sie. „Manchmal muss man sich halt auf eine kleine Diskussion einlassen.“

 

4 Kommentare

  1. „Impressive!“

    Ich finde, nach 3 oder 4 järlichen Terminen mit den Damen in unserem lokalen Ausländeramt, kriegt man mit einem Lächeln und ein Bisschen Selbstironie kommt man schon schneller und weiter bei Ihnen als ohne.

    Der Jedi-Mind-Trick würde ich als Ausländer gar nicht wagen auzuprobieren, aber toi toi toi für die Einheimischen, die es schaffen.

    • Drew Portnoy Drew Portnoy

      Ja, komischerweise hatte ich nich Probleme bei der Ausländerbehörde. Aber ich wusste, man muss alle Papiere bei sich haben. Und lächeln!

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