Manchmal frage ich mich, ob Deutsche Wärme hassen.
Meine aller erste Winter in Deutschland war der kälteste meines Lebens. Ich bin zwar im Bundesstaat Colorado am Fuße der Rocky Mountains groß geworden, aber ich wusste nicht, dass die Welt so kalt sein könnte.
Oder vielleicht hatte ich einfach die falsche Jacke?
Wenn ich es kurz überlege, wird mir klar, dass ich die falsche Jacke trug. Denn im deutschen Winter braucht man keine Jacke. Man braucht einen Anorak. Man braucht nicht Kleidung bei solcher Kälte. Man braucht eine Lösung.
Und es war besonders kalt, als ich jeden Morgen ein Kilometer in der falschen Jacke zum Gymnasium lief. Bis ich da ankam, war ich durchgefroren. Mir war so kalt, dass selbst einigen meiner Verwandten kalt wurde.
Ich ging in die Schule und lief die Treppe hoch bis ich in meiner Philosophieklasse ankam. Es war das wärmste, angenehmste Zimmer, dem ich je begegnete. Es war ein Zimmer, wo die Heizung die ganze Nacht lief. Das Zimmer wartete nur darauf, mich zu erwärmen.
„Drew“, sagte das Zimmer. „Komm rein. Dein Leid hat ein Ende.”
Es war mehr als Wärme. Es war Erlösung.
Bis Thilo ankam. In Amerika haben wir auch Thilos. Sie heißen Chad. Jeder leidet wenn Chad und Thilo da sind. Die sind zwar immer beliebt aber sie sind oft eher fies. Thilos und Chads halt.
Thilo wurde nicht von der Wärme gewärmt. Er wurde beleidigt.
“Meine Fresse”, sagte Thilo jeden Winter morgen. “Hier ist eine Luft drin!“
Und damit riss er sämtliche Fenster soweit auf wie nur möglich. Meine Mitschüler teilten seine Meinung und niemand war zufrieden, bis die Zimmertemperatur die sibirische Außentemperatur erreichte. Nur dann wurde die Luft heile. Dann wurden die Fenster zugemacht und ich durfte weiter frieren. Und meine Verwandten auch.
Deutsche scheinen sich oft über warme Luft zu ärgern. Das Problem wird durch so genanntes Stoßlüften beseitigt. Man tauscht mit Stoßlüften die böse warme Luft gegen sympathische kalte Luft aus. Anscheinend darf man sich nur in warmer Luft aufhalten, wenn man dabei war, als die Luft sich erwärmen ließ. Außer in der Sauna.
Die Wissenschaft dahinter verstehe ich nicht so ganz.
Diese Luftwut habe ich in der Schule meiner Kinder, im Büro, wo ich gearbeitet habe, und sogar von Putzfrauen in Hotels erlebt. In Raucherkneipen? Ne, da ist die Luft nie beleidigend. Krebserregend aber nicht beleidigend.
Ein deutscher Kumpel erklärte mir mal, dass stickige Luft weniger Sauerstoff enthält. Sie ist daher für Lebewesen ungeeignet. Wie Mars. Selbst Zimmer, die 12 Stunden leer stehen leiden unter Sauerstoffmangel.
Da komme ich wieder mal nicht ganz hinter die Wissenschaft, die dahinter steckt.
Aber Januar ist bald vorbei. Wärmere Zeiten sind um die Ecke.
Bald kann man wieder Draußen sitzen.