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Kategorie: Leben in Deutschland

Niemals Anzug in der Ringbahn

Bevor die Ringbahn zur Ringbahn wurde, war es eine S-Bahn Teilstrecke am Rande des neuen Ost Berlins. Ich kannte fast niemanden, der damit fuhr, da niemand sich weiter als Mauerpark, Tempelhof (damals noch Flughafen) oder die Gedächtniskirche traute.

Ich aber schon. Ich sah diese S-Bahn damals als Abenteuer. Ich würde jedes Mal einsteigen im Bahnhof Schönhauser Allee oder Greifswalder Straße und staunen wie ein anderes Zeitfenster aufging, wenn die Türen sich schlossen. Plötzlich wurde ich direkt nach Bukarest transportiert. Es gab immer bunte, interessante Menschen im Zug – der Überrest von was Berlin einmal war und ohne eine Ahnung was es einmal sein wird.

Ich fand es spannend. Wie in einer Achterbahn, wenn man gerade den Gipfel des steilsten Hügels erreicht hat, kurz bevor es losgeht und gar nicht weiß, ob man das ganze überleben wird. Man hofft immer, dass der TÜV gründlich war.

Ringbahn

Neulich hatte ich ein Vorstellungsgespräch. Die kommen bei mir gar nicht so oft vor und ich musste deswegen an mein letztes denken – es war vor ungefähr 10 Jahre. Damals war das ein Vorstellungsgespräch bei einer Presseagentur in Frankfurt. Ich trug einen Anzug. Hugo Boss. Schwarz. Hatte ihn schon eine halbe Ewigkeit.

Nach dem Gespräch flog ich Heim, also nach Berlin. Als ich durch den Frankfurter Flughafen lief, diskutierten die Stimmen in meinem Kopf scharf miteinander. Und falls du schon mal im Frankfurter Flughafen warst, dann weißt du, dass die Stimmen sehr viel Zeit miteinander hatten. Fliegen ist nur ein Nebengedanke vom Frankfurter Flughafen. Laufen ist die Hauptattraktion.

„Mensch“, sagte ich zu mir selber. „Zieh doch den Frack aus!“

„Hä?“ erwiderte ich. „Warum?“

„Du fliegst doch nach Berlin“, erklärte ich mir. „In Berlin trägt keiner außer der FDP Anzüge! Willst du so aussehen? Und außerdem, wo ist überhaupt unser Gate?“

„Quatsch. Berlin ist doch eine Weltstadt. Viele tragen Anzüge. Und es geht hier um mich und ich wohne seit Jahren in Berlin. Wenn einer im Anzug in Berlin, dann ich. Und: Wenn tatsächlich niemand einen Anzug in Berlin trägt, dann ist das Anzugtragen Hardcore.“

Ich hatte schon längst aufgehört mir selber zu zuhören. Und trug noch den Anzug.

Als ich im Flieger saß, hatte ich etwas Grummeln im Bauch, das gleiche Grummeln, wie wenn man nicht weiß, ob man den Ofen ausgemacht hat oder nicht. Habe ich gerade den ganzen Wohnblock wegen einer Tiefkühlpizza abgefackelt?

Das Gefühl hatte ich immer noch, als ich in Berlin landete und ich vom Flieger in den Bus und dann in die Ringbahn stieg. Ja, Bus und Bahn und dann auch noch in die Tram um nach Hause zu kommen. So wahnsinnig zentral ist Berlins Zentralflughafen, Tegel. Entweder Bus, Bahn und Tram oder ein 30 € Taxi.

In der Ringbahn kamen die Stimmen wieder.

„Dude, hättest du den Anzug lieber im Gepäck verstaut.“

„Ja, ich glaube, du hattest Recht.“ Ich musste mir plötzlich selber Recht geben. Die Ringbahn schien eine Allergie auf Anzüge zu haben. Klar, Berlin war immer eine Stadt der Arbeiter. Naja, bis zur Wiedervereinigung. Jetzt sind es hauptsächlich Kaffeetrinker.

Genau dann hörte ich noch eine Stimme aber diesmal von außen. Es waren zwei Punks, die gerade den Gang hinunterliefen. Das Laufen sah eher aus wie kontrolliertes nach-vorne-fallen. Sie diskutierten, wo sie sich hinsetzen sollten.

„Lass uns hier sitzen“, sagte der eine, als er mich sah. „Hier neben Chef.“ Glücklicherweise gab es immer noch den Gang zwischen uns. Seine weibliche Begleitung nahm Platz zwei Reihen weiter hinten. Sie war damit beschäftigt, irgendetwas zu verdauen, was sie sich kurz zuvor ins Gehirn geschossen hatte. Sah nach viel Arbeit aus.

Er lächelte mich an und ich erinnerte mich selbst daran, dass ich mir zum Anzug Auszug geraten hatte. Da ich ziemlich paranoid bin, hoffte ich auf einen leichten Überfall. Portemonnaie weg. Handy weg. Vielleicht nur einige blaue Flecken. Ich hoffte, es würde auf etwas weniger als Mord hinauslaufen. Ich hatte ja Frau und Kinder.

„Na Chef?” sagte er. Ich habe bestimmt gezuckt und versuchte, die letzten Augenblicke meines Lebens zu genießen.

Punks in der Ringbahn

Als die Ringbahn ins Rollen kam, fing er an zu beatboxen, was mir komisch vorkam.

„Seit wann beatboxen Punks?” fragte ich mich.

Als die Ringbahn dann schneller wurde, kam Freestyling hinzu.

Wo sitzt der Boss?

Da sitzt der Boss!

Wer ist der Boss?

Der ist der Boss!.

Bin ich der Boss?

Nein! Er ist der Boss!“

Es ging eine gefühlte Stunde so weiter. Ich war zu gleichen Teils beeindruckt über sein Talent und besorgt über meine Zukunft. Er lächelte dabei alle an. Mich. Seine Begleitung. Die anderen Mitreisenden.

Den Mitreisenden ging es wahrscheinlich ähnlich wie mir. Sie dachten alle, „Unterhaltsamer Rap. Und der Typ im Anzug ist gleich dran. Was für ein Idiot, wer zieht einen Anzug an in Berlin? Ich meine, außer der FDP?“

Ich stieg bei der nächsten Gelegenheit aus und nahm ein 30 € Taxi.

Wie jemand von der FDP.

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Ja, ich tanke gern Alkohol-frei

Meinen geheimen Neujahrs Vorsatz für mich zu behalten ist viel leichter in Deutschland. Mein geheimer Vorsatz ist immer mit dem Saufen aufzuhören. Er bleibt immer geheim, weil ich weiß, ich kann ihn genauso gut einhalten wie meinen jährlichen nicht geheimen Vorsatz. Mein nicht geheimer Vorsatz? Die erste U.S. Präsidentin zu werden. Bis November dachte ich, dass mir die Qualifikationen und eine Vagina fehlen. Ich wurde jetzt eines besseren belehrt.

Aber in Deutschland ist mein geheimer, alkoholfreier Vorsatz leichter einzuhalten, da das Land von leckerem, alkoholfreiem Bier überschwemmt ist. Oder non-alcoholic, wie wir in Amiland sagen. Oder, als ich ein Kind war, Near Beer, also, Fast Bier. Hoch qualitatives alkoholfreies Bier ist so präsent in D-land, dass es sogar Derivate davon gibt, wie z.B. alkoholfreies Radler oder alkoholfreies Weizen. Sogar mit Zitrone. Und die Brauer reden auch immer von „isotonisch“, aber da ich bloß einen einfachen Uni Abschluss habe, weiß ich gar nicht, was das heißen soll.

Jeden Januar finde ich es leicht, meinen geheimen Vorsatz einzuhalten, während ich mich für das Weiße Haus vorbereite. Jedes Mal, wenn ich an der Theke herantrete, erinnert mich die kleine präsidentiale Stimme in meinem Kopf an meinen Vorsatz und ich sage stolz: „Ein alkoholfreies Bier, bitte!”

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Das Sortiment gab es bloß in der Spätkauf um die Ecke.

Oft stehen mir mehrere Sorten zur Auswahl.

Becks oder Jever Fun?”

Ich habe bereits so viel Alkoholfreies geschluckt, dass ich freilich sagen kann, dass das Jever gar nicht so Fun ist aber das Becks sehr Tageslicht tauglich sei. Im englisch sprachigen Raum heißt alkoholfreies Becks übrigens Becks Blue. Merkwürdig da Blue auf Englisch so gut wie „traurig“ heißt. Bin ich blue weil ich Alkoholfreies trinke? Oder ist es ein Wortspiel auf das deutsche „blau sein“?

Höchst subversiv.

Alkohol-freie Kinder

Das ganze Alkoholfreie fing bei mir mit der Schwangerschaft meiner deutschen Frau an. Schwangerschaft und Alkohol sind bekanntlich keine guten Partner. Aber Deutsche und Bier schon. Also haben wir einen Kompromiss geschlossen: Wir würden manchmal den sehr geringen Alkoholgehalt von alkoholfreiem Bier (0,5% vol.) in Kauf nehmen. Damals war Bionade Trend unter jungen Müttern und weniger alkoholfreies Bier aber meine Frau fand schnell ihren Liebling: Krombacher Alkoholfrei was sogar im englisch sprachigen Raum Zuspruch gefunden hat. Komischerweise ist die alkoholisierte Variante von Krombacher die bevorzugte Sorte ihres Vaters.

Like father like daughter.

Ich kenne das Argument, Bier ohne Alkohol ist kein Bier. Und Kaffee ohne Coffein sei auch kein Kaffee. Und Tofuwürstchen sind keine Wurst. Ich habe die Argumente selber mal verwendet. Aber sie sind eigentlich gar keine Argumente. Manchmal will ich saufen, ohne besoffen zu werden. Und manchmal will ich um 23 Uhr Kaffee trinken. Und manchmal will ich einen labbrigen, geschmackslosen Schlauch verspeisen.

Ich bin Erwachsen. Ich darf solche Entscheidungen treffen (und auch mal nebenher gesagt: Ich kenne auch Malzbier. Habe es damals als Austauschschüler geliebt. Es ist, glaube ich, bloß ungegärtes Bier, welches man sogar Kindern bedenkenlos geben kann. Aber einigen wir uns, dass wir zu einem anderen Zeitpunkt darüber bloggen, ok?).

Aber warum trinke ich jetzt überhaupt Alkoholfreies? Jetzt, wo es keine Schwangerschaft mehr gibt? Weil, wenn ich nicht trinken will, und ich eine Kola in der Kneipe bestelle, ist diese innerhalb von Sekunden weg. Wasser auch. Aber an alkoholfreiem Bier kann ich lange dran nippen und ich muss mich nicht stundenlang rechtfertigen, warum ich keinen Alkohol trinke. Es sieht ja aus, also ob ich mit saufe. Und außerdem, weil ich älter werde und meine Geschmacksknospen langsame absterben, will ich manchmal abends etwas bitteres trinken ohne mit einem Kater aufzustehen.

Obwohl es viel Alkoholfreies in Deutschland gibt, ist Amerika noch nicht in den Genuss gekommen, trotz der endlosen Craft Brewers (die ständig IPAs herstellen, die wie flüssige Disteln schmecken).

Alkoholfrei, Kartoffelbrei!

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Geburstagfeiern in Amerika wie in Deutschland

Heute ist der erste Geburtstag meiner Tochter außerhalb Deutschlands. Darüber ist sie gar nicht glücklich. Im Vorfeld haben wir gedacht, dass sie gar nicht feiern würde. Ich habe mir eine einsame Todesfeier eingebildet.

Aber dann kam meine Frau auf eine Idee. Teilweise weil sie eine Jedi Ritterin ist (wie schon berichtet) und auch weil sie eine Mutter ist, und Kinder glücklich machen ein sehr ausgeprägtes elternhaftes Talent von Müttern ist. Wie die leckersten Brote schmieren. Im Vergleich haben Väter weniger elternhafte Talente. Außer vielleicht weniger elternhafte Talente aufzuzeigen.

“Mach einfach eine deutsche Geburtstagsfeier. Zeig deinen amerikanischen Freunden wie man in Deutschland feiert“, schlug meine Frau unserer Tochter vor. Es funktionierte besser als jeder andere Jedi Mind Trick. Obwohl, gibt es bereits den Jedi Mind Trick? (Notiz an mich selber: Maile bitte George Lucas und frage nach den ersten Jedi Mind Trick)

Meine Tochter wurde plötzlich urs enthusiastisch. Seit zwei Wochen bremsen wir sie aus, die ganze 7. Klasse einzuladen. Sie ist eine bessere deutsche Botschafterin als Peter Wittig selber. Nein ich wusste selber bis vor kurzem nicht, wer der Botschafter ist.

Neben Wurst, Brezeln und Wagner wird ihr Geburtstag so aussehen:

Topfschlagen

topfschlagen - geburtstag spiele

Beim Topfschlagen muss man seinen Preis finden. Wenn man dran ist, hat mein eigentlich schon den Preis gewonnen aber deine Freunde wollen, dass du ihn verdienst. Also werden dir die Augen verbunden und der Preis versteckt unter einem umgekippten Kochtopf. Klingt gemein – der Preis, juristisch gesehen gehört er dir bereits, ist aber noch versteckt. In Deutschland wird „gemein“ halt anders definiert. Der Topf samt Preis wird dann in einer Ecke des Gartens oder Wohnzimmers versteck. Das Wetter und die Stimmung der Gastgeber entscheiden den Ort.

Dann kriegst du einen Kochlöffel und du musst auf allen Vieren den Topf, indem du auf dem Boden rumschlägst, eruieren. Die Freunde liefern Unterstützung in dem sie „kalt“ oder „warm“ rufen, je nachdem ob du warm oder kalt bist. Viele Kochlöffel, Vasen und Elternschienbeine mussten an das Spiel glauben. Aber bis jetzt ist niemand ohne Preis nach Hause gegangen.

Schokoladen Wettessen

schokolade wettessen - kindergeburtstag spiele

Kling nach Hunger Games, was die Oompa Loompas austragen mit Kindern, die in der Schokoladenfabrik verlorengehen. Aber ist es nicht. Beim Schokolade Wettessen wird eine Tafel Schokolade in Zeitung eingewickelt – am Liebsten natürlich Milka. Dann hocken sich alle Kinder um einen Tisch und würfeln. Würfelt jemand eine Sechs, müssen sie Winterhandschuhe, Schal und Mütze anziehen und anschließend versuchen, mit Messer und Gabel die Schokolade auszupacken und dann zu essen. Sie dürfen so viel Schokolade essen, wie sie nur können.

Aber, die anderen Kinder dürfen weiter würfeln. Würfelt noch jemand eine Sechs, müssen sie dann alle Klamotten anziehen und mit der Schokolade weiter machen.

Stimmt. Vielleicht haben die Oompa Loompas das Spiel doch erfunden. Und ja, ich weiß, dass die Band Veruca Salt ihren Namen dem Film entnommen haben.

Mumie einwickeln

Mumie einwickeln - kindergeburtstag spiele

Ich dachte, Deutschland sei das umweltfreundlichste Land der Welt, bis ich von diesem Spiel erfahren habe. Dann merkte ich, dass man nur umweltfreundlich ist, um das Mitspielen in dem Spiel auszugleichen.

Bei Mumie einwickeln, wickelt ein Spieler den Mitspieler mit Klopapier ein. Die Mannschaft, die die Mumie zuerst eingewickelt hat, gewinnt. Alles muss aber zugedeckt sein. Dann bekommen die Gewinner einen Preis und das Klopapier wird weggeworfen.

Vielleicht lassen wir das Spiel dieses Jahr gar nicht zu. Der Umwelt zur Liebe und auch weil Klopapier doppelt so viel kostet in Amerika (echt!). Vielleicht spielen die Kinder stattdessen Sackhüpfen, was es auch in Amerika gibt, oder Plumpsack geht rum, was furchtbar klingt, auch auf Englisch. Der US-amerikanische Gegenpart heißt Duck, Duck, Goose, was ja jeder Spaßvogel versteht.

Nach dem Geburtstag gibt es, wie in Deutschland, eine Geschenktüte für jedes Kind und die Eltern dürfen dann noch eine Tradition mitmachen: sie bekommen einen Schlürschluck, kurz: Saufen.

Das werden wir auch hier weiterbetreiben.

Fröhlichen Geburtstag Sweet Peach!

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Nutella gegen peanut butter: Ein Kampf

Vielleicht könnt ihr mir mal helfen. Es gibt ein Thema, über das meine Frau und ich uns seit über einem Jahrzehnt streiten. Es ist eine Auseinandersetzung grösser als der West Coast/East Coast Streit unter den Ami Rappern oder der Zoff zwischen Didi Hallervorden und Fips Asmussen über die Erfindung des deutschen Humors. Es ist, sozusagen, Kramer gegen Kramer. Oder Portnoy gegen Portnoy.

Es ist besonders wichtig, dass wir das bei Seite legen: Wir feiern heute 13 Jahre Ehe.

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Der Streit fing an, als unsere Jüngste gerade ein Jahr alt war. Meine Frau bot ihr ein Stück Brötchen mit Nutella an.

„Was machst du da?” fragte ich. „Willst du, dass sie schokoladenabhängig wird? Schon so früh im Leben?“

Meine Frau guckte verwirrt. Als ob ich mich plötzlich in eine Gaswolke verwandelte und eine Sprache benutze, die noch nirgendwo in unserem Sonnensystem vorgekommen ist. Sie sah aus, als ob sie nicht wusste, ob sie lachen oder heulen sollte über die Entdeckung einer sprechenden Gaswolke. Sie wusste nicht, ob sie eine berühmte Entdeckerin werden würde oder ob sie nur einen an der Waffel hatte.

„Es ist bloß Nutella,“ antwortete sie. „Habe ich schon mein ganzes Leben lang gegessen und schau mich an.“ Ich weiß nicht genau ob sie tatsächlich ‚schau mich an‘ gesagt hat aber so höre ich das immer, wenn wir über Essen reden. Ich bin ja offensichtlich der US-Amerikaner in der Beziehung, wenn du weißt was ich meine. Ich bin etwas pummelig, das meine ich. Nur ein bisschen.

Meine Frau hingegen sieht europäisch aus.

„Es ist Schokoade und das ist ein Baby!“ bellte ich. Obwohl ich immer darauf bestand, dass meine Kinder zwei Pässe besitzen, habe ich ins geheim gehofft, dass sie nur das Essverhalten ihrer Mutter und alles andere von mir übernehmen würden. Lassen wir erstmal Herrn Mendel außen vor. Aber an dem Tag drohte meine Frau mit nur einem kleinen Stück Brötchen und einem Tröpfchen Nutella meine Hoffnung zu zerstören.

„Es ist bloß Nutella und ich habe es schon mein ganzes Leben lang gegessen (und schau mich an)“, sagte sie noch einmal. Aber dann griff sie in ihre ich-habe-einen-Ami-geheiratet Werkzeugkiste und sagte: „Außerdem, du hast ihr gestern Peanut Butter reingeschoben und das ist genau das Gleiche.“

Ha! Jetzt bist du dran. Hast du schon so was Absurdes gehört? Ich auch nicht. Peanut Butter und Nutella gleich? Wie bitte?

Nutella, peanut butter

Sie sind noch nicht mal in der gleichen Galaxie! Pure Erdnussbutter besteht bloß aus zermahlenen Erdnüsschen mit ein wenig Meeressalz. Purer geht´s nicht. Ok, vielleicht gibt es mal ein bisschen Butter und etwas mehr Salz dazu und, OK, die Erdnüsse sind geröstet aber mehr nicht. Erdnusscreme ist so pur, Adam und Eva haben wahrscheinlich davon gespeist bevor sie Granatapfel ausprobiert haben. Neandertaler haben wahrscheinlich Erdnussbutter geliebt und die konnten noch nicht mal sündigen, da das Ganze noch nicht erfunden wurde!

Peanut butter is pure and natural!

Nutella, im Gegenzug, wurde von Industrienationen erfunden um Leute auszutricksen, dass Haselnüsse Schokolade sein könnten. Es hat auch geklappt. Nutella ist super lecker! Aber es ist eine Schokolade von schweren industriellen Anlagen und darf nur als Nachtisch oder zu besonderen Anlässen gegessen werden. Industrielle Anlagen sind bekanntlich nichts für Kinder oder als Hauptspeise.

Es wird auf unserem Frühstückstisch nur geduldet, weil ich weiß, ganz Deutschland würde rebellieren, wenn ich was dagegen sagen würde. Aber ich glaube kaum dass jemand glaubt – noch nicht mal eine Deutsche – dass Nutella und Peanut Butter ernährungsmäßig gleich sind. Nur meine Frau!

„Schatz“, sage ich jetzt oft zu meiner Tochter. „Vielleicht reicht eine Brötchenhälfte mit Nutella.“ Sie ist bald Teenager aber es ist jetzt schon zu spät. Sie wurde viel zu früh mit Nutella verdorben.

Meine Frau schaut mich dann immer böse an.

„Schön. Du darfst zwei oder gar drei Brötchenhälfte mit Zentimeter dicker Peanut Butter und sie nur eine Hälfte mit einem Hauch von Nutella? Echt?“

Es ist ein Wunder das wir noch zusammen sind.

Ein Kommentar

Vier Sachen die das Universum von Deutschland lernen könnte

Klar, das Internet liebt solche Dinger. Diese Listen. Hier ist also meine. Ich habe nicht fünf Punkte ausgewählt. Nur vier. So bin ich halt. Ausserdem: Mir fielen nur vier ein. Ich habe versucht, nur Sachen auszusuchen die andere Blogger, Verleger und gar US-Amerikanische Nachrichtenagenturen nicht eingefallen sind. Und, sie sind alle Sachen die tatsächlich mein Leben in Deutschland verbessert haben. Hier sind Sachen die ich im normalen Unterhaltungen (sprich, in der Kneipe) als Verbesserungsvorschläge aus Good Old Germany vorgeschlagen habe.

Echt.

Klar, nicht jeder wird mir zustimmen. Ich werde, ehrlich gesagt, wahrscheinlich einige Freunde verlieren. Freunde die Deutschland verändern wollen, damit es mehr wie zu Hause ist.

„Freunde die dich verändern wollen sind keine Freunde,“ hatte meine Mutter immer gesagt.

Das stimmt eigentlich nicht. Meine Mutter hat nie sowas gesagt und wurde es auch nicht sagen. Sie hat meine Freunde immer sehr gemocht. Mehr als ich meine Freunde gemocht habe. Aber eine Mutter hat es bestimmt irgendwann gesagt.

Hier sind also die vier Vorschläge aus Deutschland an das Universum. Ich hoffe, die gefallen eure Mutter:

Hunde lieber nicht an der Leine

Foto danke Bernd Baltz via Creative Commons
Foto danke Bernd Baltz via Creative Commons

Hunde sind nicht mein Ding. Wenn ich eine Hund begegne, erkläre ich den Tier das wir nie Freunde sein werden. Es ist kein Problem. Es gibt ja genug Leute die Hunde mögen und genug andere Tiere die mich mögen. Die Welt ist ja groß. Und als jemand der keine Hunde mag, nervt es mich immer in den Staaten wenn zwei Leute sich beim Gassigehen treffen. Die Hunde werden bellen und fauchen. Und nochmal bellen und fauchen. Shut up already! Aber in Deutschland gibt es kein bellen und fauchen. Die Hunde laufen frei rum und durfen ungestört Pos schnuffeln. Die Leine macht aus Hunde das gleiche wie Lenkräder menschen: Bestien. Klar, nicht jedes Hund oder Hundebesitzer hat das Stoff, alleine ohne Leine spazieren zu gehen, aber als nicht-Hunde-Mensch sind meine Begegnungen mit Hunde und Halter angenehmer in Deutschland.

Überholen nur links

(ausser man ist im U.K. und – gegen das Gesetz Gottes – links fährt, dann umgekehrt)

Rechts fahren, links überholen.
Foto danke Micky Waue Auktionen und Konzerte

In Deutschland ist es verboten, rechts zu überholen. Man darf nur links überholen. Überholst du rechts? Das darfst du nicht. Es ist illegal. Fährst du aber langsam? Dann fahr doch bitte rechts damit die schnellere Autos dich leichter überholen können. So machen es (die meisten) deutsche. Und du sollst es auch. Dieses Verhalten auf der Autobahn überträgt sich auf normale Strassen und das Autofahren wird dadurch leichter. Aber in Amiland ist es anders. Das fahren auf Amerikanische Autobahnen fühlt sich an wie eine Herde Buffel in der Flucht. Wisente rennen rechts und links in jeder Geschwindigkeit und jeder Richtung. Um eine sichere Spurwechsel zu unternehmen bedarf es eine Genehmigung von jemand ganz weit oben. Wir sind aber keine Buffel. Wir sind Menschen. Und Menschen überholen nur links.

Gib mal die Hand

Foto danke Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt
Foto danke Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt

Gerade die Freunde bei Kaiser’s getroffen? Gib jeden die Hand. Tauchst du bei eine Sause erst auf? Alle Hände werden erstmal geschüttelt. So sagen deutsche, ‚Hallo, wir sind da.’ So merkt man die Anwesenheit von allen Beteiligten an. So wird auch jeder in der Runde vorgestellt. Es ist symbolisch und sagt so gut wie: ‚Wir sind alle wir.‘ Jeder füllt sich willkommen. Sogar die Ex die eigentlich gar nicht da sein sollte. Sowie ihr neuer Freund. Gib ihm die Hand und versuche dabei eine Inkanischer Toteszauber zu überreichen. Wenn es sogar um ganz gute Freunde geht, schütteln sich deutsche gar nicht die Hände – die umarmen sich. Mach es doch. Deutsche haben keine Angst. Du sollst auch nicht. Du bist ja unter Freunde.

Ladenschluss am Sonntag

Foto danke Sebastian Baryli via Creative Commons
Foto danke Sebastian Baryli via Creative Commons

Hast du dich jemals gefragt, wie es Will Smith ging in I Am Legend (oder Charlton Heston in The Omega Man)? Sonntags in Deutschland findest du eine Antwort. Fast jeder Laden hat zu. Fussgängerzonen sind leer. Malls ausgestorben. Ich weiss, für zugezogene und Ex-Pats ist das die Hölle. Es ist ja so schwerig Basilikum und Spüllmaschine Tabs vorrätig zu halten. Aber die meisten Ex-Pats können noch nichtmal heute Abend plannen. Aber Sonntags zu ist voll ruhig and chillig. Weil man sonst nichts machen kann. Der Druck ist weg. Klar, das ganze fing wegen diesem Gott Kerl an, aber heute bedeutet es was anderes: Kommerz ist nicht immer König. Der Kunde hat nicht immer recht. Und das Dollar – oder euro – ist nicht das Oberhaupt. Es geht um was anderes. Und es ist schön.

Ausserdem darf man sich wie ein Zombiejäger fühlen.

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Er ist wieder da: Gagschreiben für Hitler

Ich habe gerade „Er ist wieder da“ zu Ende gelesen. Für die, die es nicht wissen: Das Buch handelt von der Wiederkehr Hitlers in Berlin Mitte, im Jahr 2011.

Es ist sehr lustig. Echt.

Und für die, die es zweimal nicht wissen: Das Buch wurde als Film gemacht. Ja, in 2014. Und ich habe das Buch am Wochenende zu Ende gelesen, weil es am 9. April auf Netflix erscheint. Zumindest außerhalb des deutschen Sprachraums.

Und für die, die es nicht dreimal wissen: ich bin im Film.

Er ist wieder da.
Bild dank Constantin Film Verleih GmbH

Damals, 2013, rief mich ein Bekannter aus der Filmszene an. Er fragte, ob ich Zeit und Interesse hätte einem mysteriösen Prominenten mit Comedy zu helfen. So eine Art Comedy Coach. Ich habe abgelehnt. Ich kann nicht viel im Leben und noch weniger jemanden einen Comedy Auftritt beibringen.

Mein Bekannter fragte dann, ob ich dann vielleicht einfach ein paar Witze für den Prominenten schreiben könnte.

„Vielleicht,“ sagte ich.

„Bezahlt“, sagte er.

Ich machte mich auf den Weg.

Es war, glaube ich, an einem Mittwoch. Ich und ein paar Comedyfreunde befanden uns dann in einem Filmstudio im Süden von Berlin, nahe des nicht-zu-öffnen Flughafens.

Der Bekannte kam rein und stellte uns einen Regisseur vor. Der Regisseur erinnerte mich leicht an „das Tier“ von der Muppets Show. Die hatten zumindest beide den gleichen Geschmack was Klamotten angeht.

Das Tier fragte, ob wir das Buch „Er ist wieder da“ kannten. Er mache gerade den Film dazu.

“Wir dürfen es euch eigentlich nicht verraten“, sagte das Tier, “aber es funktioniert immer besser, wenn ihr es vorher wisst.“

„Ihr werdet Witze für Hitler schreiben“, sagte er.

Ich fragte mich, ob das nicht gerade ein Mel Brooks Theaterstück war. Ich überlegte, Springtime für Hitler zu singen.

https://youtu.be/kHmYIo7bcUw

Aber bald tauchte Christoph Maria Herbst auf. Ja, Stromberg. Aber noch ernster.

Ich musste erstmal schlucken. Es war ja Christoph Maria Herbst.

Er schauspielte schon und erzählte uns, er hätte einen Typ dabei, der entweder Hitler war und/oder Hitler spielte. Hitler oder Möchtegern Hitler würde bald eine eigene Sendung kriegen und wir sollten uns dazu Witze überlegen. Wir sollten erst einmal ein bisschen Brainstorming machen und der Typ, der entweder Christoph Maria Herbst war oder von Christoph Maria Herbst gespielt wurde, lenkte uns alle in eine klare Richtung.

Nichts, sagte er, sollten wir ausschließen.

Klar, über solche Witze denkt fast jeder. Aber nicht vor laufender Kamera. Und wenn doch, dann für viel mehr Geld.

Mir wurde langsam unwohl. Ich wusste nicht wirklich, ob solche Witze am Ende OK sein würden.

In solchen Fällen berufe ich mich immer auf meine deutschen Freunde, die eine ähnliche Gesinnung haben, wie ich. Einer davon ist ein Comedian und Filmemacher namens Georg. An dem Tag saß er direkt neben mir.

OK, dachte ich, wenn Georg dabei ist, dann ist alles paletti.

Aber es war nicht nur unsere Aufgabe, die mich unwohl machte.

Zwei Wachmänner umkreisten die ganze Zeit das ganze Studio. Leise aber sicher. Sie sahen nicht gerade glücklich aus.

Ihre Rolle war mir ein Rätsel. Waren sie ein Teil des Ganzen? Oder waren sie da, falls irgendwelche Linksradikalen mit dem Führer mal ein ernstes Wörtchen reden wollten? Waren wir irgendwelchen Gefahren ausgesetzt?

Entweder waren die zwei Türsteherburschen sau gute Schauspieler oder sie waren tatsächlich bullige Sicherheitsmänner mit fragwürdigen politischen Ansichten.

Ich schwitzte und schwitzte.

Christoph Maria Herbst (man kann einfach nicht seinen Namen nennen ohne alle drei Namen zu schreiben) bat uns dann, je fünf Witze zu schreiben. Er las sie alle vor und sammelte seine Lieblings One-Liner. Dann holte er Hitler. Oder der Herr, der gerne Hitler wäre.

Er ist wieder da: Tatsächlich

Im Buch ist es tatsächlich ein kleiner Österreicher. Aber an dem Tag war es ein österreichischer Schauspieler namens Oliver Masucci.

Ich kannte ihn vorher auch nicht.

Ich versuchte mir kurz vorzustellen, wie ich mich fühlen würde, wenn es tatsächlich der Führer gewesen wäre. Aber so viel Vorstellungskraft habe ich anscheinend nicht. Es klappte nicht.

Hitler bat uns dann um Rat für seine Sendung. Ich schlug vor, er sollte sich über sich selbst lustig machen.

„Die Fallhöhe ist ja ziemlich hoch“, empfahl ich.

Das fand Herr Hitler aber nicht lustig. Meine Empfehlung lehnte er ab.

Obwohl er nicht wirklich Hitler war, hatte er trotzdem was Bedrohendes, als ob Putin da stünde, aber ohne die Fähigkeit, mir einen Autounfall auf dem Nachhauseweg passieren zu lassen.

Und dann fing Georg an, sich aufzuregen. Irgendwas mit Schande und Vergangenheit und Empörung.

„Oh fuck“, dachte ich. „Wir machen hier etwas Falsches.“

Sollte George rausstürmen, entschloss ich, würde ich ihm folgen. Wie ein paar Clark Gables in „Vom Winde verweht“. Oder wie Don Quixote und Sancho Panza.

Scheiß auf das Geld. Es ging ums Prinzip! Obwohl ich wäre doch ein bisschen enttäuscht – wann sonst würde mich jemand so berühmtes wie Hitler um ein paar Witze bitten?

Aber Georg ist sitzengeblieben und ich auch.

Das Tier tauchte noch ein paar Mal auf und Hitler las unsere Witze vor. Ab und zu lachte er.

Irgendwann kamen die Sicherheitsmänner auf mich zu. Ich sollte rausgeschmissen werden. Wegen meines Vorschlags, Hitler solle sich über sich selbst lustig machen.

Ich hatte mal gelesen, dass man viel über sich selbst erzählen soll, wenn man entführt wird. Die Entführer sehen dich dann als Mensch und nicht nur als Geisel. Und Menschen töten Entführer nicht so schnell. Als ich hinter den Kulissen mit den zwei Schränken stand, versuchte ich mich ein bisschen menschlicher darzustellen.

„Seid ihr eigentlich Schauspieler oder Sicherheitsmänner?“, fragte ich.

“Das ist alles Scheiße hier!” bellte der eine. Ich glaube der mit den noch blonderen Haaren. Ich überlegte, ob ich meine Krankenkassen Karte dabei hatte.

Ich weiß immer noch nicht, warum er so stark reagierte.

Danach stand ich vor den Studio mit Georg. Ich fragte ihn, ob das alles ethisch in Ordnung gewesen war.

„Wie?“

„Da drin, wo du so ausgetickt bist.”

„Ach das? Ich wusste von vorneherein was los war. Ich war dafür engagiert.”

“Echt? Ich dachte, du fandst das alles Scheiße! Ich war bereit mit dir abzuhauen!”

„Tja“, sagte er, e-Zigarette rauchend. „Das nennet man Schauspiel.“

Monate später schaute meine Frau den Film, als er in den deutschen Kinos lief, mit vielen Holländern im Publikum, in Berlin. Ich war bereits in Amerika. Ich erzählte ihr dann was ich dir gerade erzählt habe.

„Die Filmemacher sind echt gut,“ sagte sie. „Man sieht dir das verängstigte Häschen echt an. Aber dein Witz war auch der beste in der Szene.“

Ich freue mich darauf, es Freitag anzusehen.

Hoffentlich hat sie Recht.

 

 

 

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Meine Frau die Jedi Ritterin

Deutsche reden ungern aber diskutieren viel.

Mach die Glotze an Freitag Abends: Jeder diskutiert überall. In lässigen Sesseln, an runden Tischen, auf roten Sofas.

Und niemand diskutiert lieber als Beamte.

Wenn man einem Beamten in der freien Wildbahn begegnet – sprich, auf dem Amt – ist eine ablehnende Haltung nicht gleich eine Ablehnung. Es ist eine Einladung zu einer Diskussion.

Foto Dank Amira_a via Creative Commons
Foto Dank Amira_a via Creative Commons

Ein Beamter sagt vielleicht: “Das können wir leider nicht heute für Sie erledigen.” Und man würde meinen, dass es auch so ist. Aber meine Frau hat mir etwas Beamtisch beigebracht und in der Übersetzung heißt es, “Würden Sie bitte Ihre Anfrage begründen. Am besten mit etwas Schriftlichen von irgendeinem Amt und den einen oder anderen Paragrafen dazu.“

Und noch wahnsinniger: Leute reagieren darauf, reichen was ein und haben Erfolg.

Crazy!

Meine Frau ist ein Profi in Sachen diskutieren. Aber kein Wunder: sie ist ja deutsch. Aber selbst Deutsche sollten sie engagieren, um offiziellen Angelegenheiten zu klären. Sie geht nicht zum Amt um irgendwas zu klären. Sie geht dahin, um ein Kunststück zu schaffen. Beim Amt wandelte sich meine Frau in einen Jedi Ritter. Sie besiegt Beamte nach Beamte. Die dunkle Macht ist nichts gegen sie. „Das sind die Dokumente die Ihr sucht.”

Kurz nach der Geburt unseres zweiten Kindes sind wir umgezogen und mussten die neue Adresse anmelden. Das war in der Zeit, wo die ganze Welt das Internet nutzte, nur die Regierung nicht. Es gab weder Termine noch Anrufmöglichkeiten und einen postalischen Weg sowieso nicht. Die einzige Möglichkeit war ein Besuch im Bürgeramt Rathaus Mitte in Berlin. Angekommen wurden wir sofort von einem Schwarm unglücklicher Bürger begrüßt. Es war klar, dass sie alle schon viel zu lange gewartet hatten.

„Wo melden wir unsere neue Adresse an?“ fragte meine Frau mit schlafenden Baby im Baby Björn auf der Brust. „Ist hier die richtige Stelle?“

Die Frau hinter der Theke schien sich zu freuen. Ich dachte, sie freut sich weil sie uns wegschicken darf. Aber jetzt weiß ich, dass sie sich auf die Diskussion freute.

Foto dank die Grafs via Creative Commons
Foto dank die Grafs via Creative Commons

„Normalerweise kriegen Sie von mir eine Nummer und dann würden Sie oben warten bis Sie aufgerufen werden. Aber heute hat das keinen Sinn mehr. Da warten schon zu viele.“ Wie ich das jetzt schreibe, ist es viel netter als es damals rüber kam. Es klang ungefähr so, als ob wir den Easyjet Piloten gefragt hätten, ob wir das Flugzeug selber fliegen dürften.

„Ah“, sagte meine Frau mit der Ruhe eines Beamten. “Aber mein Mann hat doch heute Nachmittag extra frei genommen und das Baby schläft gerade. Vielleicht können wir einfach die Nummer nehmen und trotzdem warten? Nur Falls.“

„Das nutzt nichts. Sie kommen eh heute nicht mehr dran. Ich gebe Ihnen keine Nummer“, sagte die Beamtin. Vielleicht hat sie sogar gezischt. Mag sein, dass wir alle eine primitive Reptil Sprache können, irgendwo tief in einer primitiven Ecke unseres Gehirns.

Mag sein, dass Beamte eine ganz andere Spezies sind.

Ich bin fast ausgetickt. Ich bereitete mich auf einen legendären Vortrag über Steuerzahler und Öffentliche Mitarbeiter vor. Ich hätte vielleicht einen Oscar gewonnen. Oder meine ganze Familie generationsweise blamiert. Aber meine Frau hat einfach ihre Hand gehoben um mir zu sagen, `Wird alles gut`.

„Klar. aber mein Mann hat sich doch heute Nachmittag extra frei genommen und das Baby schläft gerade. Vielleicht können wir einfach eine Nummer nehmen und trotzdem warten. Wenn es nicht klappt, dann klappt es eben nicht.” Ach, meine Frau, dachte ich. Wie optimistisch! Und doof. Ich wurde immer wütender. Es war doch klar, dass diese Beamtin uns nicht helfen würde.

„Haben sie alle Unterlagen dabei?“ fragte die Beamtin. „Zeigen Sie mal her.”

Ah, dachte ich. Cooler Schachzug! Sie will uns jetzt zeigen, dass wir doch nicht alles dabei haben. Dann kann sie uns mit einem Schmunzeln wegschicken.

Nice Try, Frau Beamtin, dachte ich. Wir sind erfahrene Amtsgänger! Wir haben alles dabei. Schachmatt!

Ich war sehr stolz auf uns.

Die Beamtin nahm unsere Dokumente, drehte sich kurz weg und tippte was im Computer. Sie holte einen Ausdruck, machte einen Stempel drauf und drehte sich wieder zu uns. Dann gab sie uns den Stapel zurück.

„Da“, sagte sie. „Das habe ich für Sie erledigt.“

Wir müssen hier einen kleinen Zwischenstopp einbauen, weil so genial war dieser Moment. Es war einer der besten Momente meines Lebens. Vielleicht sogar besser als die Geburt meiner Kinder oder das erste Mal, als ich Star Wars gesehen habe. An dem Tag haben wir das Leben besiegt. Wir waren ganz Berlin überlegen.

„Wie hast du das geschafft?“ sagte ich voller Euphorie, als wir aus dem Bürgeramt liefen, mit der Anmeldung in der Tasche.

„Was geschafft?“ fragte sie. „Manchmal muss man sich halt auf eine kleine Diskussion einlassen.“

 

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Hier ist ’ne Luft drin.

Manchmal frage ich mich, ob Deutsche Wärme hassen.

Meine aller erste Winter in Deutschland war der kälteste meines Lebens. Ich bin zwar im Bundesstaat Colorado am Fuße der Rocky Mountains groß geworden, aber ich wusste nicht, dass die Welt so kalt sein könnte.

Oder vielleicht hatte ich einfach die falsche Jacke?

Kalter Winter
Bild danke Marcus Pink via Creative Commons.

Wenn ich es kurz überlege, wird mir klar, dass ich die falsche Jacke trug. Denn im deutschen Winter braucht man keine Jacke. Man braucht einen Anorak. Man braucht nicht Kleidung bei solcher Kälte. Man braucht eine Lösung.

Und es war besonders kalt, als ich jeden Morgen ein Kilometer in der falschen Jacke zum Gymnasium lief. Bis ich da ankam, war ich durchgefroren. Mir war so kalt, dass selbst einigen meiner Verwandten kalt wurde.

Ich ging in die Schule und lief die Treppe hoch bis ich in meiner Philosophieklasse ankam. Es war das wärmste, angenehmste Zimmer, dem ich je begegnete. Es war ein Zimmer, wo die Heizung die ganze Nacht lief. Das Zimmer wartete nur darauf, mich zu erwärmen.

„Drew“, sagte das Zimmer. „Komm rein. Dein Leid hat ein Ende.”

Es war mehr als Wärme. Es war Erlösung.

Bis Thilo ankam. In Amerika haben wir auch Thilos. Sie heißen Chad. Jeder leidet wenn Chad und Thilo da sind. Die sind zwar immer beliebt aber sie sind oft eher fies. Thilos und Chads halt.

Thilo wurde nicht von der Wärme gewärmt. Er wurde beleidigt.

Meine Fresse”, sagte Thilo jeden Winter morgen. “Hier ist eine Luft drin!

Und damit riss er sämtliche Fenster soweit auf wie nur möglich. Meine Mitschüler teilten seine Meinung und niemand war zufrieden, bis die Zimmertemperatur die sibirische Außentemperatur erreichte. Nur dann wurde die Luft heile. Dann wurden die Fenster zugemacht und ich durfte weiter frieren. Und meine Verwandten auch.

Deutsche scheinen sich oft über warme Luft zu ärgern. Das Problem wird durch so genanntes Stoßlüften beseitigt. Man tauscht mit Stoßlüften die böse warme Luft gegen sympathische kalte Luft aus. Anscheinend darf man sich nur in warmer Luft aufhalten, wenn man dabei war, als die Luft sich erwärmen ließ. Außer in der Sauna.

Die Wissenschaft dahinter verstehe ich nicht so ganz.

Diese Luftwut habe ich in der Schule meiner Kinder, im Büro, wo ich gearbeitet habe, und sogar von Putzfrauen in Hotels erlebt. In Raucherkneipen? Ne, da ist die Luft nie beleidigend. Krebserregend aber nicht beleidigend.

Ein deutscher Kumpel erklärte mir mal, dass stickige Luft weniger Sauerstoff enthält. Sie ist daher für Lebewesen ungeeignet. Wie Mars. Selbst Zimmer, die 12 Stunden leer stehen leiden unter Sauerstoffmangel.

Da komme ich wieder mal nicht ganz hinter die Wissenschaft, die dahinter steckt.

Aber Januar ist bald vorbei. Wärmere Zeiten sind um die Ecke.

Bald kann man wieder Draußen sitzen.

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