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Monat: Januar 2016

Magisch Deutschland: Dreck reinigt den Magen

Deutschland hat echt die besten Spielplätze.

Und, im Vergleich zu den USA, gibt es nicht nur Spielplätze. Es gibt Bauspielplätze, Naturspielplätze, Wasserspielplätze und Abenteuerspielplätze, was am spannendsten klingt. Sprachlich könnte man denken, dass Kinder in Deutschland gar kein zu Hause brauchen. Sie können einfach von Spielplatz zu Spielplatz hüpfen und immer was Neues erleben.

Das Leben ist ein Spielplatz. Oder so etwas.

spielplätze

Die Überlegenheit deutscher Spielplätze wurde meiner Frau und mir erst klar, als wir mit unseren Kindern gereist sind. In Bergen, Norwegen, empfahl das Hotelpersonal einen Spielplatz um die Ecke. Der Spielplatz war sicherlich voll der Renner während der Industrialisierung, wo Eisen als Massenware gerade neu war. Der Sand im Sandkasten stammte sicherlich auch aus der Zeit. In Illinois stießen wir mal auf einen Spielplatz, wo rostige Schrauben aus rohen Beton pieksten. Die Nachmittagssonne wandelte die 60iger Jahre Rutsche und das Metall UFO Klettergerüst in eine Bratpfanne für unmarinierte Kinder.

Als Kind hatte ich auch sogar mal auf diesem Spielplatz gespielt. Einmal. Und es hat sich nichts in der Zwischenzeit geändert.

Der Lieblingsspielplatz unserer Kinder in Berlin war in Zirkusoptik gefertigt und wurde sogar vergrößert als unsere Kinder wuchsen. Und das ist teilweise das Schöne an deutschen Spielplätzen: Sie werden handgefertigt als Einzelstücke mit Rutschen, Seilbahnen, Kletterwänden und Tunneln nach einem bestimmten Thema. Zirkus vielleicht oder Dschungel oder die Bedeutung hinter Jungscher Trauminterpretationen in vor-Weimar Stuttgart. Sowas, halt.

Unser Zweitlieblingsspielplatz war der Kleinkindspielplatz am Kollwitzplatz. Ein Kleinkindspielplatz ist ein Spielplatz für kleine Kinder, aber am Ende mischen sich darunter immer etwas größere Kinder, die über die kleinen stolpern und die Herrschaft des Spielplatzes übernehmen. Die sind immer gegen unbekannte Eltern immun. Es ist das Gleiche, was passiert, wenn Spiegel plötzlich eine neue Nachbarschaft in Berlin, Hamburg oder München krönt. Danach steht man sogar Schlange an der Schaukel.

Aber die Vielfalt deutscher Spielplätze ist echt bewundernswert. Auf Bauspielplätzen dürfen Kinder mit Altholz, Hammer und Nägel los. „Bau ein Piratenschiff!“ ruft der Spielplatz den Kindern. „Halt die Krankenkassenkarten bereit“, hören die Eltern.

Ein Naturspielplatz ist eine leichte Lüge. Es ist eigentlich nur ein zugewachsener Spielplatz mit ein paar guten Kletterbäumen. Meistens wird er von einem sehr lieben Alkoholiker betreut, der es kaum mehr als aus dem Bett am Tag schafft. Naturspielplätze folgen immer dem Lieblingssatz vieler etwas fauler Eltern: Dreck reinigt den Magen! Nicht das Eltern nicht faul sein dürfen.

Abenteuerspielplätze sind eine Mischung aus Naturspielplatz und Bauspielplatz aber mit doppelt so vielen Knochenbrüchen. Oder anders gesagt: Fantastisch.

Und das Beste an deutschen Spielplätzen für die Eltern: Man kann Bier auf die meisten Spielplätze mitbringen. Währen der Spielplatzära meiner Kinder, wurde ich zum Spätkauf Experten. Ich kannte das nächstgelegene Späti jedes Spielplatzes. Ich hätte Führer dazu verkaufen können.

Deutsche Spielplätze sind so toll, dass ich fast noch ein Kind haben will.

Fast.

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Hier ist ’ne Luft drin.

Manchmal frage ich mich, ob Deutsche Wärme hassen.

Meine aller erste Winter in Deutschland war der kälteste meines Lebens. Ich bin zwar im Bundesstaat Colorado am Fuße der Rocky Mountains groß geworden, aber ich wusste nicht, dass die Welt so kalt sein könnte.

Oder vielleicht hatte ich einfach die falsche Jacke?

Kalter Winter
Bild danke Marcus Pink via Creative Commons.

Wenn ich es kurz überlege, wird mir klar, dass ich die falsche Jacke trug. Denn im deutschen Winter braucht man keine Jacke. Man braucht einen Anorak. Man braucht nicht Kleidung bei solcher Kälte. Man braucht eine Lösung.

Und es war besonders kalt, als ich jeden Morgen ein Kilometer in der falschen Jacke zum Gymnasium lief. Bis ich da ankam, war ich durchgefroren. Mir war so kalt, dass selbst einigen meiner Verwandten kalt wurde.

Ich ging in die Schule und lief die Treppe hoch bis ich in meiner Philosophieklasse ankam. Es war das wärmste, angenehmste Zimmer, dem ich je begegnete. Es war ein Zimmer, wo die Heizung die ganze Nacht lief. Das Zimmer wartete nur darauf, mich zu erwärmen.

„Drew“, sagte das Zimmer. „Komm rein. Dein Leid hat ein Ende.”

Es war mehr als Wärme. Es war Erlösung.

Bis Thilo ankam. In Amerika haben wir auch Thilos. Sie heißen Chad. Jeder leidet wenn Chad und Thilo da sind. Die sind zwar immer beliebt aber sie sind oft eher fies. Thilos und Chads halt.

Thilo wurde nicht von der Wärme gewärmt. Er wurde beleidigt.

Meine Fresse”, sagte Thilo jeden Winter morgen. “Hier ist eine Luft drin!

Und damit riss er sämtliche Fenster soweit auf wie nur möglich. Meine Mitschüler teilten seine Meinung und niemand war zufrieden, bis die Zimmertemperatur die sibirische Außentemperatur erreichte. Nur dann wurde die Luft heile. Dann wurden die Fenster zugemacht und ich durfte weiter frieren. Und meine Verwandten auch.

Deutsche scheinen sich oft über warme Luft zu ärgern. Das Problem wird durch so genanntes Stoßlüften beseitigt. Man tauscht mit Stoßlüften die böse warme Luft gegen sympathische kalte Luft aus. Anscheinend darf man sich nur in warmer Luft aufhalten, wenn man dabei war, als die Luft sich erwärmen ließ. Außer in der Sauna.

Die Wissenschaft dahinter verstehe ich nicht so ganz.

Diese Luftwut habe ich in der Schule meiner Kinder, im Büro, wo ich gearbeitet habe, und sogar von Putzfrauen in Hotels erlebt. In Raucherkneipen? Ne, da ist die Luft nie beleidigend. Krebserregend aber nicht beleidigend.

Ein deutscher Kumpel erklärte mir mal, dass stickige Luft weniger Sauerstoff enthält. Sie ist daher für Lebewesen ungeeignet. Wie Mars. Selbst Zimmer, die 12 Stunden leer stehen leiden unter Sauerstoffmangel.

Da komme ich wieder mal nicht ganz hinter die Wissenschaft, die dahinter steckt.

Aber Januar ist bald vorbei. Wärmere Zeiten sind um die Ecke.

Bald kann man wieder Draußen sitzen.

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Magisch Deutschland: Nutella Pizza

Selbst nach 15 Jahre werde ich immer noch überrascht von magischen Sachen in Deutschland: Sachen wie Nutella Pizza. Es passierte während einem spontanen Besuch in einem unserer Lieblings Pizza Läden. Es liegt in einer super Berliner Nachbarschaft am Rande von entweder Schöneberg, noch Kreuzberg oder sogar schon Tiergarten – ich will die Privatsphäre der Nachbarschaft wahren und schaue gar nicht erst nach.

„Ok“, sagte ich zu meinen Essenskollegen – ein 9 Jähriger, eine 10 Jährige und meine Frau (Alter egal). “Sind wir jetzt fertig? Können wir gehen?”

Meine Tochter griff zu einer naheliegenden Pizza Klub Speisekarte und zeigte darauf, worauf sie schon das ganze Essen lang zeigen wollte. Nämlich auf eine Nutella Pizza.

Plötzlich hörte ich das Singen der Engel. Die graue Wolkendecke verschwand und ein geschlechtsloser Gott unbestimmter Konfession sprach durch mich. Ich bestellte die Nutella Pizza.

Nutella Pizza

Wir nicht Europäer glauben immer, dass Nutella aus dem Land stammt, wo wir ihm zum ersten Mal begegneten. Wie damals, als ein Jahrhundertwende Hipster mit Schnurrbart Frites in Paris aß und davon ausging, dass sie daher stammten. „French fries!“

Obwohl ich mittlerweile die ganze Nutella Geschichte kenne, werde ich es jetzt hier nicht posten. Ich werde auch nicht per Cut & Paste irgendeine Nutella Wikipedia Eintrag hier hineintippen. Heute geht’s nicht um die Herkunft Nutellas. Es geht um die Herkunft Nutella in meinem Leben. Und es ist eh 2016 und ihr könnt alle selber die Nutella Geschichte googeln.

Nutella entdeckte ich an meinem aller ersten Morgen in Deutschland. Damals, als die Kaiser noch herrschten und Weimar nur eine Stadt war. An dem Tag lernte ich, wie man ein Brötchen aufschneiden soll. Dann bat mich meine Gastmutter, das Brot mit Nutella zu beschmieren (und, ja, ok, auch Butter drunter, was ich heutzutage nicht mehr mache). Ich dachte, dass Nutella an dem Tag eine Ausnahme wäre. Ich dachte, ich darf bestimmt nur Schokolade frühstücken, weil sie neue Gasteltern sind und das hier mein aller erster Tag in Deutschland ist.

Ehrlich: Wer speist schon Schokolade zum Frühstück? Das gehört sich nicht! Außer man isst einen Donut, natürlich.

Aber wie ich schnell lernte, war das keine Ausnahme, sondern die Regel. Nutella ist eine Hauptspeise der Deutschen wie Kartoffeln, Wurst und schlechte Laune. Es steht auf jedem Frühstückstisch, meistens auf einem Tablett neben Goldsaft und einer unbeliebten Orangenmarmalade aus der Kohl Ära.

Und ich möchte mich an dieser Stelle bei den Gehrings aus Oldenburg für meine Bekanntschaft mit Nutella bedanken. Ihr habt Großes geleigstet, leider hat das nicht so mit Eisbein geklappt.

Und das, obwohl Nutella der Kern des ersten Erziehungsstreits zwischen mir und meiner Frau war. Meine Frau wollte unseren Kindern Nutella erlauben, bevor sie überhaupt mal auf der Welt waren. Ich hatte aber Angst, dass die dann Nutella abhängig werden würden.

„Aber Erdnusscreme dürfen sie natürlich jetzt schon haben”, sagte ich.

„Ist doch genau das gleiche!“ meinte sie.

Wir wissen alle, dass sie total im Unrecht stand.

Aber da sie so früh Nutella kennenlernte, meine Tochter (und Pizza Klub), kam ich in den Genuss der Nutella Pizza. Also hatte meine Frau doch irgendwie Recht.

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Ein Ausländer lernt Chinesisch

An meinem ersten Tag als Austauschschüler auf einem deutschen Gymnasium bin ich sprachlos geworden. Während der Hofpause, strömten Kinder aus der benachbarten Grundschule und tummelten sich plötzlich um einen grauen Klotz auf dem Spielplatz. Eine Tischtennisplatte (aus Beton?). Sie hüpften. Sie schrien. Sie waren völlig außer sich. Und als ich näher kam und sah was die da machten, öffnete sich eine große Leere in meiner Kindheit. Mir war klar: Ich hatte was verpasst.

An dem Tag lernte ich, dass wir Amis einen Riesenfehler machen. Jedes Jahr zu Weihnachten kriegen unzählige US-Amerikanische Kinder Tischtennisplatten zum Weihnachtsfest. Nach nur ein paar Monaten mäßigem Gebrauch, werden sie dann zu Basteltischen ­– oder sogar Wäschetischen – umfunktioniert. Damals glaubten wir – und glauben Amis immer noch – dass man auf Tischtennisplatten höchstens zu viert spielen kann. Beim Chillen nach der Schule ist das oft zu wenig und nach nur einige Wochen wird uns das gängige eins gegen eins oder zwei gegen zwei einfach langweilig.

Rundlauf Tischtennis
Bild Dank Oranjejon via Creative Commons.

Wir wissen nicht dass es eine andere Welt gibt.

An meinem ersten Tag als Austauschschüler habe ich gestaunt. An dem Tag habe ich Rundlauf Tischtennis kennengelernt. Ein Kind gab an und rutschte schnell nach rechts. Auf der anderen Seite schlug der nächste Gegner zurück und rutschte auch nach rechts. Dann der nächste Gegner (oder Gegnerin). Dann der/die Nächste usw. Es ging so, bis jemand versagt hat. Und dann fing es, ohne den Versager, nochmal an. Es ging so bis nur noch zwei Grundschüler im Spiel waren. Eine Art Meisterschaft. Aber kurz nach dem Endspiel, als ein Meister gekrönt wurde, ging das ganze wieder von vorne los und der (gekrönte) Meister war schnell vergessen.

Krach. Hoffnung. Ausscheiden. Es erinnerte mich an Thunderdome – We don’t need another hero! – oder mindestens an Dodgeball. Aber ohne dass jemand eine blutige Nase kriegte. Und jeder durfte mal ran, was mir auch imponierte. Jeder!

Als ich das gesehen habe, wollte ich die Grundschule wiederholen. Und zwar in Deutschland.

„Hast du das gesehen?” sagte ich danach im Leistungskurs Bio. Ich erzählte lebhaft von dem, was ich gerade erlebt hatte.

„Meinst du Chinesisch?” fragte Bernd Müller, unbeeindruckt. „Haben wir auch in der Grundschule gespielt.“

Bernd schien mir sehr abgehärtet zu sein. Mein Leben hatte sich gerade geändert und Bernd wollte nur Alkoholketten lernen. Ich konzentrierte mich lieber auf die Regeln des Rundlauftischtennis. Die durfte ich nie vergessen.

Als ich nach Berlin im Jahr 2000 zog, durfte ich endlich meine langersehnte chinesische Fantasie ausleben – Rundlauf Tischtennis spielte ich leidenschaftlich bei Ping Pong Country Veranstaltungen sowie in Dr. Pong. Und ich bin nicht der einzige der sich in Chinesisch (oder Mäxle) verliebt hatte: Es gibt mittlerweile auch Tischtenniskneipen in Amerika.

Und viel weniger Tischtennisplatten dienen jetzt als Basteltische. Oder wenn doch, dann nur vorübergehend.

 

 

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Deutschland 83 und Qualitätsfernsehen

Wie nennen sie echt gutes Fernsehen in Amerika? Fernsehen (TV).

Und in Deutschland? Qualitätsfernsehen. Ich verliere bereits jetzt den Lust. Aber keine Panik: Es gibt eh so gut wie keins. Darüber reissen sich deutsche Fernseh Futzis gerade ihre Haare raus.

Ach, ich übertreibe. Es gibt doch ab und zu was Gutes in der Glotze. Es kommt hauptsächlich aus Skandinavien. Die Brücke. The Killing. Und der pummelige Wallander.

Deutschland 83
Bild danke UfA Fiction

Ein grosses Problem ist das kreativitätsmangel der Öffentlichen Rechtlichen und deren rentnerischen Zuschauer. Aber eine deutsche Zuneigung für Charaktere über Story (siehe auch den Klaus Kinski Kult) hilft auch nicht.

Als The Wire gross in den Staaten wurde, tauchte verdächtig Im Angesicht des Verbrechens in deutschen Fernsehen auf. Es war spannend und erfrischend. Nicht nur das Storywegen, sondern auch weil es ein  bisschen Licht in langsam vergessenen Charlottengrad (und Umgebung) warf.

Aber mit Riesenerfolge wie Breaking Bad, House of Cards and Girls, deutsche Produzenten kriegen langsam ein Koller über Miserfolge und das fehlende Produktionskohle. Aber manchmal haben sie doch Erfolg: Im Angesicht, etwa. Oder Weissensee. Und jetzt Deutschland 83.

Falls jemand es verpasst hat, handelt es sich die Serie Deutschland 83 um – ja – Deutschland in 1983.  Kalter Krieg, also. Das Übliche, eigentlich. Ein Stasispion in Bonn. Amerikanische Generäle und Angst übers Atomkrieg. Achso, und auch ein paar unfähige Ostdeutsche Beamten (wie immer). Aber sehr gut und schön gemacht. In Deutschland 83 haben sie sogar einiges aus US-Amerika geklaut: Lieder am Ende jede Sendung, z.B. Ja. David Bowie und Co. Es waren ja die 80er.

Obwohl Deutschland 83 aus dem Hause RTL kommt ist es nicht ganz Deutsch. Nicht das es unbedingt sein muss. Deutschland 83 kommt aus der Kuli ein US-Amerikanerin: Berlin Schriftstellerin Anna Winger. Ralph Martin, ein Bekannter aus den Berlin Amerikanischer Journalistenkreis, hat sogar eine Folge geschrieben. Nice job, Ralph!

Es scheint also ob die RTL Chefs so sehr Angst von Amerikanischer Serien hatten, das sie eine Amerikanische Sendung machen wollten. If you can’t beat ‘em, join ‘em.

Und vielleicht waren sie ein bisschen zu erfolgreich. Die Serie ist beliebt ausserhalb Deutschlands. Und entäuschend innerhalb.

Das überrascht mich nicht. Die meisten RTL Zuschauer können noch nicht mal Qualitätsfernsehen buchstabieren. Aber ich fürchte auch das was uns Amis und Briten and Deutschland im Jahr 1983 interessiert – nämlich ein Stasispion in Bonn, Amerikanische Generäle und Angst übers Atomkrieg – die deutschen nicht so ganz am Fernseher hält. Ihr wart ja da.

Aber die grosse Frage jetzt lautet: Gibt es bald ein Deutschland 84? Ich hoffe sehr.

Und echten Dank an RTL: ich könnte Problemlos die deutsche Fassung hier in Portland, Oregon über Weihnachten runterladen. 0,99 € die Folge. Ich will nicht immer alles klauen Mussen.

Hoffentlich heisst bald Qualitätsfernsehen einfach Fernsehen.

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Sachen die ich an Deutschland magisch fand: Tischmülleimer

Das erste Mal, als ich einem begegnete, ging ich davon aus, dass es etwas leckeres zum Frühstück in sich verbarg. Noch mehr Butter. Milch. Vielleicht ein Früchtetee? Aber es war komisch geformt und sah aus wie ein klitzekleiner Mülleimer.

Und es sah so aus, weil es tatsächlich einer war. Es war ein mini Mülleimer auf dem Tisch. Ein Tischmülleimer.

Tischmülleimer
Pic Jochen Wegner unter Creative Commons

Das ist gut 30 Jahre her und ich freue mich immer noch, wenn ich einem begegne und benutze sie dann leidenschaftlich. Besonders häufig anzutreffen in Pensionen mit Dusche auf dem Gang oder bei Omas.

Tischmülleimer. Wie genial.

„Ach was. Schreib´ doch nicht darüber,“ sagt meine deutsche Frau gerade. “Die sind total old fashioned. Niemand benutzt die heutzutage noch.”

Oh doch. Meine Liebe!

Google mal Tischmülleimer. Endlose Hersteller. Oder versuche es bei Amazon mit Tischabfalleimer. Noch mehr Varianten. Schau weiter es gibt sogar Mini-Müllcontainer.

Nämlich weil Tischmülleimer gar nicht so old fashioned sind.

Wie besessen mit Ordnung muss man sein, um Tischabfallbehälter auf dem Tisch zu platzieren? So besessen, dass man den Müll erstmal raustragen muss, bevor man die Rühreier mit Speck aufgegessen hat.

Als Teenie fand ich der Tischmülleimer ein Geniestreich. Ich war durchaus mehr besessen von Ordnung damals als heute. Damals, als ich besessen von Ordnung war… Fand ich es halt nett, dass man Brötchen schmieren konnte und trotzdem einen aufgeräumten Tisch hatte. Deutsches Frühstück bedarf deiner vollen Aufmerksamkeit!

Und überhaupt: Tischmülleimer machen Sinn, wenn man an die nicht-gerade-Umwelt-freundlichen Frühstücksverpackungen denkt. Marmelade. Honig. Butter. Frischkäse. Schmelzkäse. Pumpernickel. Nutella. Aspirin. Alles einzeln verpackt. Das sorgt für Unordnung. Und das bereits am Morgen! Sogar die Schalen der gekochten Eier passen rein. (Ein bisschen Schale bleibt natürlich immer am Ei und wenn keiner so genau hin sieht, dann spuckt man die einfach direkt in das Eimerchen.)

Und noch besser: Herr Kellner muss gar nicht zum Aufräumen stören während man Quark frisst und Göthe lautstark zitiert. Man kann einfach zwischendurch Ordnung schaffen und weiter wird geGoethelt.

Als ich in der 9. Klasse in Amerika war, dachte ich, dass wenn ich endlich erwachsen bin, werde ich jede CD meiner Lieblingsbands haben. Aber als ich Austauschschüler in Deutschland wurde, wusste ich: Erwachsen sein, heißt ein Tischmülleimer auf jedem Tisch.

Heute bin ich erwachsen. Und ich habe weder Musik CDs noch Tischmülleimer.

Und ich zitiere nie Göthe.

 

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Das fünfte Jahreszeit – Zwischen den Jahren

Ich weiss, ich weiss, in Deutschland ist das fünfte Jahreszeit Karneval. Ein Fest mit eine religiösen und anti-Monarchie Vergangenheit. Aber heutzutage ist hauptsächlich nur eine Saufferei. Verstehe mich nicht falsh: Ich meckere nicht. In Amerika haben wir was ähnliches: Es heisst studieren. Ich fand’s aber trotzdem immer merkwürdig das die deutschen nur dann ausgiebig feiern, wenn es die Regeln erlaubt.

Zwischen den Jahren

Ich erkenne den Witz mit ‚Jahreszeiten‘ aber in Deutschland gibt es wahrlich ein fünftes Jahreszeit und ich liebe Deutschland dafür: Zwischen den Jahren. Wo auch immer Weihnachten und Neujahr gibt, mussen immer Leute das Gefühl haben, das das gegenwärtige Jahr kurz nach der Bescherung endet und das Neujahr mit den ersten Anschiss vom Chef beginnt. Die deutschen haben das frühzeitig erkannt und ernannt: Zwischen den Jahren. Ich freue mich jedes Jahr da es das Gefühl so genau trifft: Es ist weder dieses Jahr noch nächstes Jahr. Es ist Zwischen den Jahren. Deutsche Präzision halt, aber ohne die Abgaswerte zu faken.

Leider taucht auch ein anderer Spruch allzuoft Zwischen den Jahren auf: ‚Guten Rutsch!‘ Wohin genau wir rutschen sollen ist immer unklar aber wir gehen alle davon aus das das neue Jahr damit gemeint ist. Keine deutsche Präzision also. Die deutschen sagen es sehr, sehr gerne Zwischen den Jahren. In der Bäckerei, am Telefon und, mit einen zwinkern, kurz bevor der Kolonoskopie. Manche sagen, Guten Rutsch kommt aus den Jiddischen. Vielleicht, aber vielleicht auch nicht.

Hier wurde ich gerne positiv zu Ende kommen aber leider kommt was schreckliches nur ein paar Wochen nach Zwischen den Jahren: Karneval.

Guten Rutsch!

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